Die Aufmerksamkeits-Falle

Nie war es für Menschen einfacher, ihrer Umwelt etwas mitzuteilen. Doch Unternehmen, Managern und Institutionen fehlt es oftmals an Relevanz. Und das schadet ihrer Reputation.

Während sich vor ein paar Jahrzehnten Oma Erna mühsam bei Nachbars-Lieschen Gehör verschaffen musste, um ihren neusten Dorf-Klatsch loszuwerden, wäre ihr heutzutage in den Sozialen Medien sofort eine Menge Aufmerksamkeit von tausenden Ohren garantiert. Und das gilt nicht nur für Oma Erna, denn unabhängig von Relevanz oder Qualität, neigen wir mittlerweile in unserer Aufmerksamkeits-Republik dazu, jedem alles mitzuteilen. Doch eines hat sich im Kommunikationsverhalten gegenüber Oma Erna geändert: irgendwer hört immer zu.

VW-Chef Herbert Diess treibt es auf LinkedIn genauso wild wie Impf-Skeptiker auf Telegramm. Die eigenen Botschaften, Erlebnisse, Überzeugungen und Weltanschauungen werden publikumsgerecht gepostet. Was Unternehmen und ihre PR-Abteilungen für Imagepflege, Themenplatzierungen oder CEO-Profiling nutzen, wird im privaten zur Mitteilung von Alltagserlebnissen bis hin zu persönlichen Meinungsmitteilungen. Fakten Check, journalistische Recherche oder Einordnung bleiben aufgrund der schieren Masse an gesendeten Botschaften außen vor.

Missverstandene Transparenz

Während der Ruf nach mehr Transparenz in Unternehmen und Politik immer größer wird, reagieren die Beschuldigten mit mehr und mehr Sendungsintensität. Doch führt diese Zunahme an bewussten Botschaften nicht zu mehr Transparenz, sondern im Gegenteil zu mehr Problemen. Täglich werden missratene Social Media Posts hochgenommen, Online-Fehltritte breitgetreten. Jüngstes Beispiel vom ehemaligen BILD-Chefredakteur Julian Reichelt, der versuchte die Corona-Politik in der deutschen Bahn bloßzustellen. Shitstorm inklusive. Doch vermutlich war der einkalkuliert, der Aufmerksamkeit wegen.

Für Unternehmen, Institutionen, aber auch Privatpersonen sind die gängigen sozialen Netzwerke vielerorts zur Sucht geworden. Eingedrungen in der gewünschten sozialen Blase, passen die Meinungen überein und Aufmerksamkeit für das Gesagte ist garantiert. Diese Anerkennung aus der eigenen Blase befeuert die Gier nachzulegen, für mehr Klicks und Likes. Und schon entsteht eine Aufmerksamkeits-Falle die schnell zur Aufmerksamkeits-Sucht wird.

Relevanz!

Wer professionell kommunizieren möchte, sollte daher immer die Relevanz-Frage stellen und damit seine eigene Botschaft hinterfragen. Das gilt für DAX CEOs genauso wie für Mittelständler oder gemeinnützige Vereine.